Cholera, mächtige Gletscher, wilde Schluchten, reissende Wasser, feudales Hotel – nein, es war keine Zeitreise ins Mittelalter mit Kämpfen gegen Naturgewalten, aber fast so abenteuerlich, abwechslungs- und erlebnisreich…
Dies wird kein zusätzlicher Bericht über Rolfs wiederum wunderschönes Wanderwochenende im Wallis, dessen Schönheit und Einzigartigkeit sich sowieso nicht beschreiben lässt (subjektive Wertung pur), sondern eine Zusammenstellung von ein paar Hintergrundinformationen / Antworten, welche euch evtl. zum Kochen/Backen von Cholera (wer dem Namen nicht traut, kann sich mit einem Schnaps desinfizieren…) und zum Weiterrecherchieren veranlassen. Details zu Fotos: - Der Grosse Aletschgletscher, links im Jahre 1979, in der Mitte im Jahre 1991 und rechts 2002
- Hängebrücke über die Massaschlucht - überlebt!
Cholera - eine Wähe/Pastete - also nei !
Die Herkunft des Namens "Cholera" für die Walliser Wähe/Pastete ist genauso vielfältig wie das Rezept (von Ort zu Ort und von Familie zu Familie verschieden) - seid einfach fantasievoll und kreativ! Hier eine Auswahl an Namenserklärungen und Rezepten:
Die Cholera ist eine Pastete, die wahrscheinlich zur Zeit der Cholera-Epidemien um 1830 entstanden ist, als sich die Leute sich nicht mehr auf die Strasse wagten. Also packten sie Kartoffeln, Lauch, Käse, Zwiebeln, Äpfel, Birnen, Speck – alles, was sie gerade hatten – in einen Mürbeteig und schoben das Ganze in den Ofen. Heute haben sich sogar Spitzenköche dieser genialen Restenverwertung angenommen. Der folgende Artikel belegt diese Namenserklärung detaillierter und liefert zugleich eine erste Rezeptvariante: http://www.htr.ch/files/ebook/pdf/HTRH-015-1902-2.pdf
"Cholera, Chollere und Chollermues" (mit Vorliebe von Köhlern und Holzfällern zubereitet) sind im Wallis, der Innerschweiz und im Zürich Oberland bekannt. "Chole oder cholle" meint einerseits "Holzchole mache", andererseits "glüeje, meïschtens von ere schwechere Glüet". Dies sind also Speisen, welche man auf kleiner Glut gebacken/gekocht hat, was für viele Speisen zutraf, als noch auf offenem Feuer oder im Holzofen gekocht/gebacken wurde. Dass "Cholera, Chollere" von "chole, cholle" kommt, sieht man auch daran, dass Chollermues auch eine Älplerspeise bezeichnet, und die Älpler haben bis in unser Jahrhundert auf offenem Feuer gekocht [freie Übersetzung aus dem Mundartlexikon, den Walliser Dialekt wollte ich euch nicht auch noch schriftlich zumuten].
Weitere Rezepte (mit/ohne Zwiebeln, Birnen, Speck):
Rottu (Rottu = Rotten = Rhone) Chuchi, ein im Wallis bekanntes Kochbuch mit alten Rezepten (ohne Lauch, so wurde es ursprünglich im Goms zubereitet). Rezept siehe unten vor Fotos
o Das folgende Rezept kommt dem von meiner Mutter mündlich überlieferten Rezept am nächsten: http://www.schweizerseiten.ch/rezepte/cholera.htm.
o Für Koch-Banausen:
http://www.firstbreeze.com/TI-Privatordner/Blogs/Koch-Banausen/2010/cholera-rezept (mit interessanten Kommentaren).
Grosser Aletschgletscher - vor ca. 3'300 Jahren war er ca. 1'000 m kürzer als heute - wie bitte?!
In Wikipedia finden sich seitenlange, spannende Informationen und Bilder: http://de.wikipedia.org/wiki/Aletschgletscher. Hier ein Auszug über Gletscherschwankungen: In seinem Hochstadium während der Kleinen Eiszeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts erstreckte sich der Grosse Aletschgletscher noch rund 2,5 km weiter talabwärts. Aufgrund der allgemeinen Erwärmung seit etwa 1870 hat er besonders unterhalb des Konkordiaplatzes massiv an Volumen eingebüsst und sowohl an den Seiten als auch im Zungenbereich Flächen von mehreren Quadratkilometern Grösse freigegeben. Der einstmalige, in der Neuzeit höchste Gletscherstand kann gut an den noch fast vegetationslosen Seitenmoränen abgeschätzt werden. Seit 1850 hat die Eisdicke um teilweise über 100 m abgenommen. Früher waren auch die Eisströme des Oberaletschgletschers und des Mittelaletschgletschers direkt mit dem Grossen Aletschgletscher verbunden.
Gegen kurzfristige Klimaschwankungen ist der Gletscher aufgrund seiner grossen Masse relativ immun. Während viele andere Gletscher Ende der siebziger Jahre bis Anfang der achtziger Jahre vorstiessen, reagierte der Aletschgletscher auf die vorübergehende Abkühlung kaum – ebenso wenig wie auf die warmen Jahre seit 1983. Aufgrund der zunehmend extremen Hitze der letzten Jahre zieht er sich aber nun doch – wie alle übrigen Alpengletscher – deutlich verstärkt zurück.
Die Gletscher in den Alpen ziehen sich heute zudem schneller zurück als noch vor einigen Dekaden. Der Große Aletschgletscher, der mit einer Länge von 22,9 km der längste Gletscher der Alpen ist, hat sich seit 1870 um knapp 2.800 m zurückgezogen. Seine Rückzugsgeschwindigkeit hat sich ebenfalls erhöht. Seit 1980 sind 965 m geschmolzen. Allein 2006 büsste er fast 115 m an Länge ein (2007 waren es etwa 32 m). Heute hat der Aletschgletscher in etwa die gleiche Ausdehnung wie während des Klimaoptimums der Römerzeit (200 v. Chr. bis 50 n. Chr.). Vor etwa 3300 Jahren war er während des Bronzezeit-Optimums etwa 1.000 Meter kürzer als heute.
Wandern durch den Stollen - geit's no?!
Der begehbare Stollen Richtung Fiescheralp ist nicht eine Massnahme, um wenigstens für eine Viertelstunde die Grüezini, Holländer etc. "va iische Matte" (von unseren Wiesen) fernzuhalten, sondern … Hier ein paar Hintergrundinfos von Eggishorn Tourismus Fiesch:
Der Tälligrattunnel ist ein ehemaliger Stollen, der ursprünglich zur Entwässerung des Märjelensees gebaut wurde. Der Tunnel unterquert den Tälligrat (2615 m), einen Ausläufer des Eggishorns. Der westliche Eingang des Tunnels, an dem ursprünglich der Märjelensee lag, liegt in einer Höhe von 2347 Metern. Der etwa 1000 m lange Entlastungsstollen wurde im Sommer 1895 fertiggestellt. Er sollte die maximale Staukote des Märjelensees begrenzen. Dieser Eisstausee verursachte durch ein plötzliches Abfliessen der Wassermassen immer wieder Hochwasser im Massatal. Der Stollen war seither nur einmal in Betrieb, da der den Märjelensee speisende Aletschgletscher sich seither deutlich zurückgezogen hat (Gletscherschmelze) und der Märjelensee nun wesentlich kleiner ist. Die Staukote liegt heute deshalb deutlich unterhalb dem Stollen. Der ehemalige Entlastungsstollen wurde mittlerweile mit elektrischer Beleuchtung versehen und dient heute als Tunnel für Wanderer. Er verbindet die Gletscherstube am Stausee Vordersee mit der verlassenen Alpe Obers Tälli. Mitten im Tunnel steht in einer Nische ein Marienaltar.
Der Vordersee wurde anlässlich des Jahrs des Wassers 2012 von der Destination Fiesch-Eggishorn symbolisch an Queen Elizabeth II geschenkt, welche im gleichen Jahr ihr 60-jähriges Thronjubiläum (Diamond Jubilée) feiert. Englische Pioniere sind sozusagen die Erfinder des Tourismus. Im 19. Jahrhundert entstand das erste Hotel auf der Fiescheralp, das legendäre Hotel Jungfrau-Eggishorn. Hier residierten keine geringeren als berühmte Persönlichkeiten wie John Tyndall oder Sir Winston Churchill. Mit der Schenkung des Sees wollte man England aus Dankbarkeit etwas zurückgeben, was mit Geld nicht zu bezahlen ist: ein See inmitten des UNESO-Welterbes Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch.
Früher, als der Grosse Aletschgletscher noch viel mächtiger war, stellte der Märjelensee, dieses spätere touristische Kleinod, eine ständige Bedrohung dar: Dieser typische Gletscherrandsee war für seine häufigen und unberechenbaren Ausbrüche berüchtigt. Die Wassermassen richteten vor allem in Naters zwischen 1813 und 1915 verheerende Schäden an. Während Gletscherhochständen schwappte das Wasser zudem nicht selten ins benachbarte Fieschertal über – meist während der Schneeschmelze oder nach starken Regenfällen. Auch dort wurden von den Fluten erhebliche Schäden angerichtet. Aus diesem Grund hatte man schon 1828 unter der Leitung von Kantonsingenieur Ignaz Venetz einen kleinen Kanal gegraben, der die vom Strahlhorn in den Märjelensee fliessenden Wildbäche ins Fieschertal ableitete. Gegen einen grösseren Kanal wehrten sich die Fieschertaler vorerst, weil sie noch grössere Schäden befürchteten. Erst als man ihnen Schadenersatz zusicherte, willigten sie ein. Zwischen 1889 und 1894 baute man zur Entschärfung des Sees einen Stollen. Doch nur einmal, 1896, floss Wasser durch das Bauwerk; seither hat der Seespiegel die Sohle des Tunneleingangs nie mehr erreicht.
Gletschergelübde: Viele Jahrhunderte sorgte der Grosse Aletschgletscher für schwere Zeiten in Fiesch. Unzählige Male liess er den Märjelensee über seine Ufer treten und überschwemmte die Gemeinde. 1678 beschlossen die Katholiken von Fiesch ein Gelübde abzulegen, um den Katastrophen ein Ende zu setzen. Dieses wurde von Papst Innozenz XI. genehmigt. Seither ziehen die Einwohner von Fiesch und Fieschertal immer am 31. Juli, am Tag des Heiligen Ignatius in einer Prozession zur Mutter Gottes Kapelle in den Ernerwald und beten gegen das Wachstum des Grossen Aletschgletschers. Die Gebete wurden erhört und die Bevölkerung von weiteren Naturkatastrophen verschont. Doch nun stehen sie vor dem nächsten Problem: Im Zusammenhang mit dem stattfindenden Klimawandel schmilzt der Gletscher vehement. Die Menschen sind aber auf das Trink- und Wässerwasser des Gletschers und auf die Touristen, die jedes Jahr den Gletscher besuchen, angewiesen. Aus diesem Grund wurde Herbert Volken, Präfekt des Bezirks Goms, am 11. September 2009 bei Papst Benedikt XVI. vorstellig, mit der Bitte, das "Katastrophen-Gelübde" umzukehren und in der Prozession um göttlichen Beistand gegen den Klimawandel zu beten. Im August 2010 kam der lang ersehnte Brief des apostolischen Nuntius, dass die Pfarrei vom Heiligen Vater ermächtigt wird, die Erderwärmung, den Klimawandel und die Gletscherschmelze in ihre jährliche Prozessions-Fürbitten einzuschliessen. Am 31. Juli 2012 findet nun die erste Prozession mit entgegengesetzten Vorzeichen statt.
Hängebrücke über Massaschlucht
Zitat aus "Wandersite": "An einem schönen Sommertag treffen sich hier auf halbem Weg viele Wanderer, und entsprechend kann die Brücke schwanken (Fotoapparat gut fixieren - die Hände braucht man zum Festhalten)." Gell, Regula?
Wir danken Rolf für diese beiden wunderbaren Tage und freuen uns bereits auf sein Wanderwochenende 2013!
Jolanda
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